Waffen und Kunst

Die Kunstsammlung von Emil Bührle enthält Meisterwerke. Sie ist aber auch umstritten. Seit 1940 ist die Zürcher Kunstgesellschaft, der Trägerverein des Kunsthaus Zürich, eng mit dem Waffenindustriellen und Kunstsammler Emil Bührle verbunden. Er ist Mitglied der Sammlungskommission, dann des Vorstandes. Er finanziert einen Erweiterungsbau – den sogenannten Pfister-Bau. Seit 2021 ist ein Teil seiner Sammlung als Dauerleihgabe im Kunsthaus zu sehen. Der Einzug der Sammlung ins Kunsthaus Zürich wird von starken Kontroversen begleitet. Die Kunstgesellschaft hat durch die Verbindung mit Emil Bührle von dessen umstrittenen Tätigkeiten profitiert. Sie hat ihm aber auch den Aufstieg in die einflussreichen Kreise Zürichs ermöglicht.
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Waffen und Kunst: Die beiden Facetten des Lebenswerks von Emil Bührle werden im Frühling 1954 in einer Fotoreportage des Magazins LIFE dokumentiert. Die beiden Bilder unterstreichen die Selbstverständlichkeit, mit der Bührle die beiden komplementären Facetten seines Erfolgs nebeneinander in Szene setzt

Links: Emil Bührle inmitten der Gemälde seiner Kunstsammlung (Zollikerstrasse 172, Zürich). Foto: Dmitri Kessel, LIFE-Magazine, 1954 © Getty Images.

Rechts: Emil Bührle vor einem Prototyp einer Flugabwehrrakete, auf dem Gelände der CONTRAVES (Seebach, Zürich, heute RUAG Space). Die Fotoreportage umfasst mehrere Dutzend Bilder. Foto: Dmitri Kessel © Time Inc.

Emil Bührle und das Kunsthaus Zürich

Steile Karriere in der Zürcher Kunstgesellschaft (1940–1956)

Für Emil Bührle ist das Sammeln von Kunst eine persönliche Leidenschaft. Es ist aber auch der Weg, auf dem er als gebürtiger Deutscher seinen Platz in der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Oberschicht Zürichs zu finden sucht. In diesen Kreisen ist Anfang der 1940er-Jahre eine prodeutsche Gesinnung gut vertreten. So kommt er in die Zürcher Kunstgesellschaft, den Trägerverein des Kunsthaus Zürich.

Schon 1927 ist Emil Bührle Mitglied der Zürcher Kunstgesellschaft. Für seine eigene Sammlung kauft er zwischen 1936 und 1940 fünfzig Werke, für die er 1,4 Millionen Franken ausgibt. 1940 wird er Mitglied der Sammlungskommission, die für die Ankäufe des Kunsthauses verantwortlich ist. Eingeladen in die Sammlungskommission wird er von seinem Nachbarn an der Zollikerstrasse, Franz Meyer-Stünzi, Bankier und Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft. Gemeinsam arbeiten Bührle und Meyer-Stünzi daran, das Kunsthaus zu einem Museum mit nationaler Ausstrahlung auszubauen.

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Kultur, Kunst und Kapital: Einblick in Emil Bührles Zürcher Konstellation um 1955, nach: Matthieu Leimgruber, Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus. Die Entstehung der Sammlung Emil Bührle im historischen Kontext, Kölliken 2021

Neben dem Interesse für Kunst gibt es noch andere Verbindungen zwischen den beiden: Die Bank Leu, in der Meyer-Stünzi eine führende Position hat, unterhält seit den 1920er-Jahren Geschäftsbeziehungen mit Bührles Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO). Bührle auf der anderen Seite hält 1946 zu Meyer-Stünzi, als dieser im Skandal um die «Eingabe der Zweihundert» unter Beschuss gerät. In dieser Eingabe aus rechtsbürgerlichen akademischen, politischen und wirtschaftlichen Kreisen ist der Bundesrat 1940 aufgefordert worden, die deutschlandkritische Presse zu verbieten. Dies wäre einer Zensur und einer antidemokratischen Anpassung an das nationalsozialistische Deutschland gleichgekommen. Der Bundesrat geht nicht auf die Eingabe einund sie wird erst 1946 publik gemacht. Bührle selbst hat die Eingabe nicht unterzeichnet.

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Emil Bührles Engagement in der Zürcher Kunstgesellschaft, 1940–1956, aus: Matthieu Leimgruber, Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus. Die Entstehung der Sammlung Emil Bührle im historischen Kontext, Kölliken 2021

1944 wird Bührle in den Vorstand der Zürcher Kunstgesellschaft gewählt, 1953 wird er ihr Vizepräsident und übernimmt den Vorsitz der Sammlungskommission. Der Vorstand wird dominiert von Kunstliebhabern aus der Zürcher Wirtschafts- und Finanzelite, daneben sind auch Behördenvertreter und einige Künstler vertreten.

Verschiedentlich macht Bührle Erwerbungen möglich, indem er die Ankaufssumme vorstreckt. Immer wieder stellt er auch Werke aus seiner eigenen Sammlung als Leihgaben für Ausstellungen zur Verfügung. So findet im Kunsthaus 1943 die Ausstellung Ausländische Kunst in Zürich statt. Fast ein Sechstel der 480 gezeigten Werke kommen aus Bührles Sammlung. Auch als der neue Direktor des Kunsthauses, René Wehrli, 1950 eine Ausstellung europäischer Kunst veranstaltet, stellt Bührle Werke aus seiner inzwischen gewachsenen Sammlung zur Verfügung, darunter auch Paul Cézannes Der Knabe mit der roten Weste.

Katalog Kunsthaus Europaeische Kunst 1950

Katalog der Ausstellung / Catalogue of the exhibition Europäische Kunst 13.–20. Jahrhundert aus Zürcher Sammlungen (European Art from the 13th-20th century in Zurich Collections), Kunsthaus Zürich, 6. Juni bis 13. August 1950 / 6 June to 13 August 1950

Förderung der Künste

Bührle engagiert sich während des Zweiten Weltkriegs auch in den Bereichen Theater, Klassische Musik, Literatur sowie in der Wissenschaftsförderung. Ausserdem finanziert er den Bau der Christuskirche in Zürich Oerlikon. Dieses Engagement verfolgt in der Regel das Ziel, zur Konsolidierung der konservativen Kulturpolitik der Schweiz beizutragen. Zum Teil beruht es auch auf steuerlichen Überlegungen. So will er 1942 durch die Finanzierung eines Neubaus des Schauspielhauses Druck auf die Stadtverwaltung ausüben, um den Betrag als Spende von der Kriegsgewinnsteuer in Abzug bringen zu können. Er bleibt jedoch erfolglos. Nicht überall wird also Bührles Unterstützung mit der gleichen Begeisterung angenommen wie im Kunsthaus. Einige Mitglieder des Schweizerischen Schriftstellerverbands (SSV) widersetzen sich dem Vorschlag, einen nach ihm benannten Unterstützungsfonds einzurichten. Bührle gründet daraufhin 1943 die Emil-Bührle-Stiftung für das Schweizerische Schrifttum und 1944 die Goethe-Stiftung für Kunst und Wissenschaft, die von Intellektuellen aus dem rechten Milieu dominiert wird.

Finanzierung eines Erweiterungsbaus (1941–1958)
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Das Kunsthaus Zürich mit dem Erweiterungsbau der Gebrüder Pfister, 1959

Foto: Archiv Zürcher Kunstgesellschaft/Kunsthaus Zürich

Das Kunsthaus ist 1910 am Heimplatz errichtet und seither mehrfach erweitert worden, erstmals durch den Kunsthaus-Architekten Karl Moser im Jahr 1925. In den 1930er-Jahren beginnt die Zürcher Kunstgesellschaft, über eine erneute Erweiterung nachzudenken. Der Direktor Wilhelm Wartmann entwirft 1938 das Bauprogramm für einen Ideenwettbewerb. Doch die Planung kommt erst in Fahrt, als Bührle 1941 zwei Millionen Franken in den Baufonds überweist. Diese Summe muss im Verhältnis zu den 50 Millionen Franken gesehen werden, die Bührle im selben Jahr als persönliches Einkommen deklariert.

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Einladung von Wilhelm Wartmann an Stadtpräsident Emil Klöti, Adolf Jöhr und Emil Bührle zur Mitgliedschaft in die Baukommission vom 26.7.1941

Foto: Archiv Zürcher Kunstgesellschaft/Kunsthaus Zürich

Der Architekturwettbewerb wird wegen des Kriegs verlängert. Als Gewinner geht 1944 das Büro Gebrüder Pfister hervor. 1946 zahlt Bührle nochmals zwei Millionen Franken in den Baufonds ein, um das Vorhaben zu beschleunigen. Die Materialknappheit und der Vorrang des Wohnungsbaus in der Nachkriegszeit verzögern den Baubeginn jedoch bis 1954. Zudem wird die Erhöhung des Betriebsbeitrags durch die Stadt an der Urne abgelehnt, und die Kunstgesellschaft steht finanziell auf wackligen Beinen. Bührle sichert zu, die gesamten Baukosten zu übernehmen, wenn die Stadt dem Kunsthaus das Bauland gratis überlasse. Daraufhin befürworten alle Parteien, auch die kommunistische Partei der Arbeit (PdA) «den Kunsthaus Neubau und die Annahme von 6 Millionen Blutgeld». Die Zonenplanänderung wird 1954 an der Urne bewilligt.

Bührle stirbt im November 1956 und erlebt die Eröffnung des Erweiterungsbaus 1958 nicht mehr. Die Eröffnungsausstellung in dem 1200 Quadratmeter grossen, säulenlosen Tageslichtsaal ist die erste öffentliche Präsentation der Sammlung Emil Bührle und ein gesellschaftliches Ereignis. Für Jahrzehnte ist der «Bührlesaal» der mit Abstand wichtigste Ausstellungssaal in der Schweiz. Unzählige Ausstellungen von Werken bedeutender Künstler und Künstlerinnen werden hier gezeigt, von Pablo Picasso und Edvard Munch bis zu Pipilotti Rist oder Ólafur Elíasson. Das Kunsthaus hat sich über die Jahre mit der Benennung des Ausstellungssaals zum Teil schwergetan. Mit der Eröffnung der Sammlung Emil Bührle im Chipperfield-Bau lässt man die Bezeichnung «Bührlesaal» im Pfister-Bau endgültig fallen und verweist konsequent auf die Bezeichnung «Grosser Ausstellungssaal».

Schenkung von Kunstwerken (1941–1956)

Emil Bührle investiert als Mäzen des Kunsthauses vor allem in die Erweiterung des Museums durch den sogenannten Pfister-Bau. Mit Schenkungen von Kunstwerken ist er zurückhaltend. Fünf Werke kommen trotzdem durch ihn in die Sammlung. Neben dem Höllentor von Auguste Rodin, der Montagne Sainte-Victoire von Paul Cézanne und dem zu dieser Zeit Tizian zugeschriebenen Bildnis eines Herrn mit Hund gehören Der Seerosenteich mit Iris und Der Seerosenteich am Abend von Claude Monet dazu.

08 Die Ausstellung der Sammlung Emil Bührle im Bührlesaal 1958

Die Ausstellung der Sammlung Emil Bührle im Bührlesaal, 1958, Foto: Walter Dräyer.

René Wehrli kommt 1951 von einer Reise zum Atelier von Claude Monet in Giverny nach Zürich zurück und berichtet, dass dort «zu relativ billigen Preisen einige späte Monets zu kaufen wären». Es wäre dies «speziell für das neue Kunsthaus eine einmalige Gelegenheit». Als Bührle von diesen Werken hört, willigt er ein, sie für das Kunsthaus zu kaufen, noch bevor er sie gesehen hat, und zwar mit Geld aus dem Baufonds für den Erweiterungsbau. Er sieht die Gemälde, wie auch das Höllentor, als Teil des von ihm gestifteten neuen Teils des Kunsthauses und lässt sich vom Konzept von «Kunst am Bau» leiten. Dieses sieht vor, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bausumme in die künstlerische Ausgestaltung eines Gebäudes fliessen muss.

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Von links nach rechts: Dieter Bührle (Sohn von Emil Bührle), Franz Meyer-Stünzi (Präsident der Zürcher Kunst-gesellschaft), Charlotte Bührle-Schalk (Emil Bührles Gattin), die Büste von Emil Bührle von Otto Charles Bänninger, 1956/57 (Auftrag der Stadt Zürich), Hans Streuli (FDP-Bundesrat) und Hortense Bührle (Tochter von Emil Bührle)

Aus: 200 Jahre Zürcher Kunstgesellschaft 1787– 1987, Zürich 1987

Die Sammlung und das Kunsthaus Zürich nach dem Tod Emil Bührles (1956 bis heute)

Bei seinem Tod 1956 hinterlässt Emil Bührle keinerlei Anweisungen, was mit den Werken seiner Sammlung geschehen soll. 1960, vier Jahre nach seinem Tod, gründen seine Witwe Charlotte Bührle-Schalk sowie die gemeinsamen Kinder die Stiftung Sammlung E. G. Bührle mit Sitz in Zürich. Sie geben rund einen Drittel der Kunstwerke aus dem Gesamtbestand der Sammlung, 221 von 633 Werken, in die Stiftung ein. Der Rest bleibt in Privatbesitz. Mit ihrer Auswahl stellen sie sicher, dass die von Emil Bührle angestrebte Struktur und Vollständigkeit der Sammlung in der Stiftung erhalten bleibt. Diese wird in der Familienvilla an der Zollikerstrasse 172 in Zürich eingerichtet. Ab April 1960 bis Ende Mai 2015 ist sie öffentlich zugänglich. Teile der Sammlung werden zwischen 1961 und 2019 in verschiedenen Museen in den USA, in Kanada, Schottland, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan gezeigt. Im Zuge der 1968er-Bewegung und der «Bührle-Affäre» 1970, in deren Folge Sohn Dieter Bührle wegen illegalen Waffenexports nach Südafrika und Nigeria verurteilt wird, findet bis Mitte der 1990er-Jahre eine Distanzierung der Zürcher Kunstgesellschaft von der Stiftung Sammlung E. G. Bührle statt.

2005 beginnt die Planung einer neuen Erweiterung des Kunsthauses auf der anderen Seite des Heimplatzes und damit eine neue Annäherung. Nach ersten Gesprächen Ende der 1990er-Jahre wird 2006 eine erste Grundsatzvereinbarung zwischen der Stiftung Sammlung E. G. Bührle, der Kunstgesellschaft und der Stifterfamilie unterzeichnet. Vorgesehen ist der Umzug der Sammlung der Stiftung in die geplante Erweiterung. Der Zürcher Gemeinderat wie auch das Volk stehen in der Abstimmung von 2012 hinter dieser Vereinbarung mit einer Zustimmung von 53,9% bei einer Stimmbeteiligung von 36,5%. 2021 wird der Erweiterungsbau von Sir David Chipperfield eröffnet. Darin integriert ist die Sammlung Emil Bührle.

Die Vorbereitung und der Einzug der Sammlung der Stiftung ins Kunsthaus Zürich werden von starker Kritik begleitet. So werden im 2015 publizierten Schwarzbuch Bührle von Guido Magnaguagno und Thomas Buomberger Bührles Rolle in Politik und Gesellschaft und das auch mit ihm verbundene Thema Raubkunst kritisch beurteilt. 2016 erteilen Stadt und Kanton Zürich einem Team unter der Leitung des Historikers Matthieu Leimgruber den Forschungsauftrag zur Kontextualisierung der Sammlung Emil Bührle. Der entsprechende Bericht erscheint 2020. Er macht die engen Verflechtungen zwischen dem sowohl als Produzent und Verkäufer von Waffen als auch als Kunstsammler in der Schweiz und international bestens vernetzten Emil Bührle sichtbar. 2021 publiziert der Historiker Erich Keller das Buch Das kontaminierte Museum. Darin werden städtepolitisches Standortmarketing, zeitgenössische Entwicklungen im Umgang mit Raubkunst und die Erinnerungskultur der Schweiz im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg zu einer wichtigen Stimme vereint.

Die Sammlung der Stiftung ist durch den Einzug ins Kunsthaus ans Licht der Öffentlichkeit getreten. In den Medien und im öffentlichen Raum entbrennt eine heftige Debatte: Soll die Sammlung in einem Museum ausgestellt werden, das sowohl öffentlich als auch privat finanziert ist? Enthält sie Raubkunst oder Werke mit ungeklärter Provenienz? Wie hat ein neutraler Staat wie die Schweiz Bührle erlauben können, Waffen an die Nationalsozialisten zu verkaufen? Sollen alle von Bührle erworbenen Werke aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden, weil er einen Grossteil seines Vermögens auf der Grundlage von Waffenlieferungen an den NS-Staat angehäuft hat?

Wegen der heftigen gesellschaftlichen, medialen, und politischen Kontroversen um die öffentliche Präsentation der Sammlung Emil Bührle im Erweiterungsbau berufen Stadt und Kanton Zürich und die Zürcher Kunstgesellschaft einen Runden Tisch unter der Leitung von Felix Uhlmann ein. Dieser beauftragt den Historiker Raphael Gross mit der Überprüfung der Provenienzforschung der Sammlung E.G. Bührle. Sein Bericht wird im Sommer 2024 erwartet.

Tizian und Paul Cézanne

Eine Gruppe von Freunden des Kunsthauses reist 1941 zusammen mit Emil Bührle ins besetzte Paris. Ziel ist, so schreibt der Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft Franz Meyer-Stünzi, impressionistische Werke günstig und wenn möglich ausserhalb der einschränkenden Clearing-Vorschriften zu erwerben. Bei der staatlichen Clearing-Stelle müssen alle im Ausland geleisteten Zahlungen bewilligt werden. Paris ist seit 1940 durch die deutsche Wehrmacht besetzt. Viele impressionistische Werke sind auf Grund der Verfolgung der jüdischen Sammlerinnen, Sammler und Galeristinnen und Galeristen auf dem Markt.

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Callisto Piazza zugeschrieben, Il gentiluomo con cagnolino, ca. 1540, Kunsthaus Zürich (frühere Zuschreibung: Tiziano Vecellio)

Bührle erwirbt bei dieser Gelegenheit für das Kunsthaus in der Galerie Wildenstein ein Bildnis eines Mannes, das als Werk von Tizian gilt. Bei der Einfuhr unterlässt Bührle die Deklaration bei der Clearing-Stelle. Angesichts dieser illegalen Transaktion entsteht ein heftiger Konflikt mit der Behörde. Zwei Bundesräte werden eingeschaltet und der Streit wird beigelegt mit der Auflage, dass Bührle der Kunstgesellschaft dem Kauf von Paul Cézannes Gemälde Montagne Sainte-Victoire 40'000 Franken beisteuert. Die Zuschreibung des in Paris erworbenen Porträts eines Mannes an Tizian lässt sich nicht aufrechterhalten. Bührle überlässt das Bild darum 1956 dem Kunsthaus. Es wird heute Callisto Piazza zugeschrieben.

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Paul Cézanne, La Montagne Sainte-Victoire, 1902/1906, Kunsthaus Zürich

Auguste Rodins Höllentor

Das Höllentor von Auguste Rodin, das seit 1947 neben dem Haupteingang des Moser-Baus steht, ist eine der Schenkungen von Emil Bührle an das Kunsthaus.

1880 erhält der Bildhauer Auguste Rodin vom französischen Staat den Auftrag, ein Prachtsportal für den geplanten Neubau des Musée des Arts Décoratifs in Paris zu schaffen. Der Bildhauer schlägt eine monumentale Bronzetür mit Motiven aus Dantes Göttlicher Komödie vor. Das Museum wird nie gebaut, aber Rodin hat längst beschlossen, dass aus dem Portal ein Kunstwerk werden soll. Er arbeitet daran bis zu seinem Tod im Jahr 1917. Am Schluss enthält es 186 Figuren. Viele davon sind seither auch als eigenständige Plastiken berühmt geworden, so etwa der Denker auf dem oberen Abschluss. Erst nach Rodins Tod wird das Werk in Bronze gegossen. Weltweit gibt es bis heute neun Abgüsse.

Der Zürcher Abguss ist ursprünglich eine Bestellung des deutschen Bildhauers Arno Breker für die Gemäldegalerie in Linz, die Adolf Hitlers zum «Führermuseum» machen will. Dieses Repräsentationsprojekt wird nie realisiert. Obwohl Zahlungen für das Höllentor erfolgt sind, kommt es bis zum Ende der deutschen Besetzung Frankreichs nicht zu einer Auslieferung. Das Werk verbleibt als Eigentum der Giesserei Rudier in Paris.

Rudier sendet es 1947 zusammen mit weiteren Güssen an eine Skulpturenausstellung im Kunsthaus Zürich. Aus dieser können mit einem Beitrag der Stadt Zürich drei Werke gekauft werden. Das Höllentor wird 1949 aus dem Baufonds für den Erweiterungsbau, also mit Mitteln von Bührle, gekauft.

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Auguste Rodin, Das Höllentor, 1880–1917, Kunsthaus Zürich, Geschenk Emil Georg Bührle, 1949