Kunst

In Mittelpunkt der Sammlung Emil Bührles steht die Malerei des französischen Impressionismus. An diesen Kernbestand schliessen Werke an, die den Impressionismus vorbereiten, ihn begleiten oder als Ausgangspunkt haben. Der Sammlung gehört ausserdem eine Gruppe spätmittelalterlicher Holzplastiken an.

Emil Bührle (1890-1956) war ein bedeutender Industrieller, Sammler und Mäzen und ist bis heute eine umstrittene Figur. Bührle baute die Werkzeugmaschinenfabrik in Oerlikon bei Zürich zu einem international agierenden Rüstungskonzern aus.

Der Erfolg des Unternehmens machte ihn sehr wohlhabend und ermöglichte ihm den Aufbau einer der bedeutendsten Privatsammlungen seiner Zeit. Sie umfasste über 600 Werke.

Schwerpunkte

Der Impressionismus

Die Industrielle Revolution und die Erfindung der Eisenbahn veränderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Wahrnehmung von Aussenraum, Natur und Landschaft tiefgreifend. In den 1870er-Jahren entwickelte Claude Monet mit seinen Kollegen Camille Pissarro und Alfred Sisley die luftige Kunst des Impressionismus, das rasche Festhalten eines atmosphärischen Augenblicks mit spontanen Pinselstrichen. Begünstigt auch durch die Erfindung der Tubenfarbe liessen die Impressionisten das Atelier zunehmend hinter sich und fanden im Aussenraum vielfältige Inspiration, die sie vor Ort, en plein air, festhielten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Frankreich einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, und Paris wurde zur massgeblichen kulturellen Metropole. Künstler stellten sich nun die Frage, wie ein Bild beschaffen sein muss, um diese gesellschaftlichen Phänomene abzubilden. Um diese neue Welt einzufangen, suchten sie nach neuen Formen des Sehens und des Malens. Claude Monet, Alfred Sisley, Camille Pissarro und Pierre-Auguste Renoir erkannten, dass Gegenstände sich je nach Lichtsituation und Umgebung immer wieder verwandeln und andere optische Eindrücke (frz. impressions) ausstrahlen. Sie versuchten also, genau diese Eindrücke einzufangen, indem sie vor allem en plein air – in freier Natur – arbeiteten und diese nicht streng nachahmend wiedergaben, sondern auf die atmosphärische Wirkung derselben zielten. Die Impressionisten traten mit einer Gemeinschaftsausstellung 1874 erstmals an die Öffentlichkeit. Zahlreiche weitere Ausstellungen der Gruppe, insgesamt acht an der Zahl, sollten folgen.

Impressionistische Landschaften
Sisley

Alfred Sisley, Été à Bougival, 1876, Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich

Durch den Bau erster Eisenbahnlinien wurden nun auch die etwas entfernteren Gegenden um die Stadt Paris für die Bevölkerung als Erholungszonen zugänglich. Die Maler des Impressionismus schilderten beides: das Vordringen der technischen Infrastruktur der Bahn in die ländlichen Gebiete und zugleich das Ausschwärmen der Menschen aus der Hauptstadt. Mit ihrer schnellen Malweise waren sie imstande, ihre unmittelbaren Eindrücke direkt vor Ort festzuhalten.

Die Malerei der Impressionisten war eine Revolution: Anstatt ihre Farben auf der Palette zu mischen, trugen sie sie direkt in leuchtenden Farbtupfern auf die Leinwand auf. Sie vermischen sich erst im Auge des Betrachters und erzeugen dort die Wirkung von lichter Präsenz.

Impressionistische Figuren

Trotz der starken Betonung der Landschaftsmalerei blieb bei den Impressionisten auch das Thema der Figur präsent. Auch im Falle seiner Darstellung eines sitzenden Mädchens setzte Pierre-Auguste Renoir aber stark auf die Präsenz des Lichts und betonte so die im Moment erfasste Gegenwart des Modells. Edgar Degas arbeitete mit Unschärfe und angeschnittenen Elementen, wie er sie in der Fotografie kennengelernt hatte.

Irene

Pierre-Auguste Renoir, Irène Cahen d'Anvers (La Petite Irène), 1880, Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich

Vor dem Impressionismus
Manet

Édouard Manet, Les Hirondelles, 1873, Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich

Édouard Manet ist ein Vorläufer des Impressionismus. Er suchte schon zu seiner Zeit nach neuen Wegen, um das moderne Pariser Leben darzustellen. Dabei überwand er in seinen Werken die Klarheit vertrauter Bildstrukturen, was dem Betrachter ermöglicht, sein Auge wandern zu lassen. Die Art seines spontan wirkenden Farbauftrags sprengt das sonst stabile Gefüge einer klassischen Komposition und die Ganzheit von Formen, Figuren und Räumen.

Für Emil Bührle war Édouard Manet als Ausgangspunkt der modernen französischen Malerei von ausschlaggebender Bedeutung. Entsprechend strebte er auch danach, ihn in seiner Sammlung würdig vertreten zu sehen. Manet stellte aber auch eine Verbindung zur älteren Malerei her. Denn bei der Entwicklung seines spontanen Malstils hatte er sich von grossen Meistern der Tradition inspirieren lassen, etwa dem Niederländer Frans Hals. Dies interessierte den kunsthistorisch versierten Emil Bührle, der solche Einflusslinien in seiner Sammlung abbilden wollte.

Bührle fügte auch weitere Figuren und Epochen der alten Kunst zu seiner Sammlung hinzu: so faszinierten ihn etwa die venezianischen Meister des 18. Jahrhunderts, weil ihre Darstellungen des Lichts ihn an die späteren Leistungen der Impressionisten erinnerten.

Postimpressionismus

Vom Impressionismus ausgehend, interessierte sich Bührle auch für Entwicklungen der Kunst, die von diesem angestossen worden waren. In der Sammlung spielen die drei grossen Postimpressionisten Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Paul Gauguin eine zentrale Rolle. Sie machten die Errungenschaften des Impressionismus für die Moderne nutzbar.

In Cézannes rhythmisierten Farbflecken erhält die Malerei selbst einen Eigenwert. In diesem Bild geht es nicht um die Schilderung der Stofflichkeit von Hemd und Weste, sondern um die Verdichtung der Komposition mittels der Pinselarbeit. Cézanne strukturiert die Farbflecken in Bezug zur Gesamtfläche des Bildes. Wichtig werden für ihn auch Zwischenräume: So ist die Leerform zwischen der roten Weste, dem Arm und dem Tisch malerisch genauso wichtig wie es die Formen sind, die die Figur des Jungen definieren. Auf diese Weise entsteht ein dichtes Gewebe von Malerei.

Die Impressionisten setzten auf einen atmosphärischen, lockeren Farbauftrag. Van Gogh verwendete stattdessen dynamische Pinselhiebe, um starke Emotionen auszudrücken. Im Bild wird dieser Elan des Künstlers in der pastosen Maltechnik erkennbar – die Ölfarbe ist Strich für Strich dick und ohne Abstufungen aufgetragen. Diese Vorgehensweise wird noch durch den Kontrast von Komplementärfarben verstärkt.

Paul Gauguin schliesslich setzte auf grosse, geschlossene Farbflächen und gliederte seine Kompositionen auf neue Weise durch geschwungene Linien (Arabesken). Sie beinhalten eine neuartige, abstrakte Qualität, die dem Bild auf der Fläche Dichte geben.

Auch der vierte postimpressionistische Weg, derjenige des Pointillismus von Georges Seurat und Paul Signac, ist in der Sammlung Emil Bührle vertreten. Er basiert auf dem Konzept einer Systematisierung des impressionistischen Farbauftrags. Statt flächiger Pinselstriche setzten die Pointillisten einzelne, identisch grosse Farbpunkte, aus denen sich aus der Entfernung das Motiv aufbaut.

Die Nabis und Henri de Toulouse-Lautrec

Mit den Werken der Künstlergruppe der Nabis (hebräisch für «Propheten») und von Henri de Toulouse-Lautrec geht die Sammlung über den Impressionismus hinaus. Anders als im Impressionismus stand bei den Nabis das Malen von intensiv-atmosphärischen Interieurs mit Figuren im Mittelpunkt.

Ausgangspunkt der Malerei der Nabis waren die frühen, in der ländlichen Bretagne entstandenen Gemälde Paul Gauguins. Die Nabis sahen sich als Propheten einer neuen Kunst. Ihnen zufolge hatte die Kunst dem Ausdruck von Ideen durch die Formen zu dienen. Sie sollte symbolisch, subjektiv und dekorativ sein. Illusionismus, Realität und Trompe-l’œil waren tabu. Während bei den Impressionisten die Landschaft ein entscheidendes Themenfeld darstellt, wandten sich die beiden wichtigsten Nabis, Pierre Bonnard und Édouard Vuillard, besonders der Darstellung von Figuren in dekorativen Innenräumen zu.

Auch Henri de Toulouse-Lautrec interessierte sich stark für die Darstellung von Menschen in Innenräumen. Bei ihm waren es aber anders als etwa bei den Nabis keine intimen familiären Räume, sondern spezifisch urbane Orte, wie Cabarets oder Bordelle. Der Künstler zeigte dabei auch dunklere Facetten des Lebens, die bei den Impressionisten keine zentrale Rolle spielten.

Kubismus

Auch bei seinem Ausblick auf die künstlerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts liess sich Bührle von den prägenden Auswirkungen des Impressionismus und Postimpressionismus leiten.

In der Nachfolge Cézannes erneuerten die Begründer des Kubismus, Pablo Picasso und Georges Braque die Malerei ab 1909 radikal. In den Mittelpunkt rückten sie die flächenhaften Mittel der Malerei selbst: Linie, Farbschattierung, Formenrhythmus, Raumerzeugung durch die Illusion aufeinandergelegter Flächen. Diese Elemente wurden nun zum zentralen Inhalt der Bilder. Die sichtbare Welt soll nicht mehr abgebildet, sondern im Bild kontrolliert neu errichtet werden. Braques Homme au violon zeigt den lichten Kubismus dieser Jahre, der immateriell wirkt. Picasso fügte in seinem 1917 entstandenen Bild Flächenelemente und Muster zu einer dekorativen Einheit.

Braque

Georges Braque, Homme au violon, 1912, Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich © 2024, ProLitteris, Zurich

Religiöse Kunst des Mittelalters

Als letztes Element kommt ab 1951 eine umfangreiche Gruppe mittelalterlicher Skulpturen in die Sammlung.

Emil Bührles Interesse an mittelalterlicher Skulptur war persönlicher Art. Zum einen erinnerten ihn diese Werke an seine studentische Begeisterung für die Kunst der Gotik. Zum anderen war hier seine Konfession von Belang. Er war christkatholisch und stiftete in Oerlikon eine Kirche, für deren Ausstattung er einige dieser Werke erwarb.

Die Schutzmantelmadonna ist ein beliebtes spätmittelalterliches Bildmotiv. Unter dem Mantel der stehenden Maria, die das Jesuskind hält, finden kleine Figuren aus verschiedenen gesellschaftlichen Ständen Schutz, wobei die Männer von Maria aus gesehen rechts, die Frauen links stehen. Marias Fürsorge für das Kind wird also auf alle Gläubigen übertragen. Zwei Engel halten den Stoff des vergoldeten Mantels. Die Skulptur ist auch sonst reich mit Vergoldung und Bemalung ausgestaltet.

Madonna

Schutzmantelmadonna, um 1500, Sammlung Emil Bührle, Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich